Mittwoch, 21. September 2011

Lehrstunde in Autismus




Ich komme gestern von dem Elternabend zurück. Um die Zeit schläft das Kind normalerweise.
Robert stürmt aus dem Kinderzimmer weint ganz fürchterlich "Sag dem Papa, dass er nicht auf die Baustelle so weit weg fahren soll!!!"
"Warum hast Du ihm das gesagt?"...frag ich vorsichtig, leise den Herrn Bodenleger.
"Weil er mich morgen früh doch nimmer sieht, ich hab mich bis zum Wochenende verabschiedet, er hat überhaupt nicht reagiert vorhin!!!" entrüstet sich der Herr Bodenleger.
Die "Reaktion" kam nun, ganz heftig und hielt bis 23.50 Uhr an!
Robert war irgendwo, aber nicht in seinem Kopf!  Hat geschrien, getobt, sich selber Angst gemacht, ca. 50 Mal  "Nein, mein Papa soll daaaableiben!!!" gebrüllt.
Von einer Sekunde auf die andere hat er dann plötzlich zugehört. Ich hab mir in der langen Zeit ganz viele "Ablenkungsmanöver" überlegt, die nicht bei ihm ankamen. Und dann "Robert wir können ihn ja vielleicht besuchen, da auf der Baustelle so weit weg!"
Er fängt zu lachen....zu singen an ... "Tralalala   laaaa, ich fahr am Wochenende auf eine Baustelle ganz weit weg....la, la!" ... und schläft ein!
"So hab ich mir den letzen Abend mit Dir nicht vorgestellt." sprach der Herr Bodenlegern.
Oh, und dann waren meine Nerven weg. Irgendwo....
" !!!!???? WAS ???? DUUUUU hast ihm das doch erzählt. Ich bin jetzt fix und fertig... wolltest DUUU jetzt noch eine Abschiedsparty feiern, oder wie oder was!!!????"
Meine Zähne wurden mein Opfer. Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen wie ich die geschrubbt habe... der ganze Stress musste abgearbeitet werden.
Und dann kam ich mir komisch vor. Und musste selber über uns lachen!
Und dann haben wir noch gemütlich dagesessen und geratscht....bis es aufeinmal nach 1 Uhr war.
Um halb fünf ist er aufgebrochen, der Herr Bodenleger. Nein, nicht ganz, ganz weit weg. Bis Franken ...ist er mit seinem uralten Bodenleger-Auto gefahren. Schwerst beladen mit der Schleifmaschine und noch mehr. Deshalb war Tempo 90 bis 100 (bergab) die Höchstgeschwindigkeit. Er ist angekommen und frühstückt dort noch mit dem Auftraggeber bevor er loslegt...
Und ich hab mit ängstlichem Gefühl den Robert aufgeweckt  "Schreit er wieder?"
Es ging gut. Er war durcheinander, müde, hat aber kein Drama mehr gemacht. Ist auch ganz leise in den Schulbus gestiegen.
Ob ich mein Versprechen wahrmache, dort hinzufahren? Ja, so halb. Meinetwegen fahren wir dann auch auf  die Baustelle....wenn es dann noch wichtig ist für Robert.
Wir sind am Freitag in der Oberpfalz, unsere Tante wird beerdigt. Michael kommt von der Kulmbacher Gegend und wir von hier.... mit Robert.
... ich hab mir immernoch nicht getraut ihm zu erzählen dass seine Tante nicht mehr lebt.
Er "erlebt" zur Zeit so viel. Ich mag es ihm erst sagen, wenn wir fahren.
Weiss auch nicht, ob das gut ist. Sonst ist das so gar nicht meine Art!
************
Und ? Habt Ihr gesehen, die Sonne scheint....

13 Kommentare:

  1. Oh Mensch, du!
    Ich verneige mich einfach mal still vor dir.
    Herzlich
    Gabriela

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  2. Wenn ich das lese, dann weiss ich dass meine Maus irgendwie ganz normal ist. Sie hat auch den frühkindlichen Autismus. Und solche Reaktionen zeigt sie auch. Und oft kann ich dann nicht mehr. Aber wenn Du das schaffst, schaff ich es auch. Ich hab nämlich nur das eine Kind. Ich lese gerne hier mit und wollte Dir mal sagen, dass ich froh bin deinen Blog gefunden zu haben.
    Leider hab ich auch in der Schule kaum Hilfe und meist kommt von da noch mehr Ärger und dann steh ich weinend da. Aber ich hab nun schon mal gesagt, dass ich noch ein Kind kenne, das auch so ist, da haben sie geschaut, ich hab Robert gemeint. Sie waren dann netter zu mir und wissen nun dass ich nicht so ganz alleine bin. Sie können mir nun nicht mehr einreden, dass nur meine Tochter so ist.
    Danke für alles was du aufschreibst, das wollte ich dir mal sagen.
    Viele, ganz viele Grüsse von
    Österreich aus
    Gerti

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  3. Ich finde du machst das ganz, ganz super. Auch wenns nicht immer einfach ist.
    Ich hatte Montag und Gestern auch einen schrecklichen Franzi-Tag. Aber es geht irgendwie weiter. Und ich hab sie sooo lieb.
    Und du rappelst dich auch immer wieder auf. Ich finds so schön hier bei dir. Du machts mir so viel Mut und meine großen Down-Syndrom-Herausforderungen sind auf einmal gar nicht mehr so herausfordernd. Schön das du hier schreibst.
    Ich drück dich!
    Tine

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  4. Liebe Elisabeth,

    scheinbar war das gestern bei Dir einer "jener Tage". Da läuft morgens schon alles schief ... und dann noch ein falscher Satz zu Robert ... oh wei ... ich kann förmlich Deine Anspannung fühlen. Bestimmt triffst Du für Euch die richtige Entscheidung.

    Ich wünsche Euch einen schönen Tag!!!

    Liebe Grüsse
    Angelika

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  5. ich verstehe deinen Robert, mein kleiner kann sich auch in was hineinsteigern ohne Ende...der Robert mag seinen Papa sehr, das ist doch das schönste.

    Schade, dass Ihr nicht so ganz in meiner Nähe wohnst, ich glaub wir hätten viel gemeinsam :o)

    LG
    Alex

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  6. Das kostet aber auch Nerven. Ich bewundere eurer Durchhaltevermögen.
    Gerade heute ist so ein Tag, da tut es mir gut und auch weh, wenn ich lese, das Menschen mit einer "Behinderung" sehr wohl ein volles und gutes Leben haben können.
    Wenn sie denn gewollt, geliebt und geachtet werden.

    Oh Mensch! Der Tod ist eh schon so unverständelich für uns alle.
    Ich hoffe, es läuft so gut es eben laufen kann mit dem Erzählen.

    Mein Vater fuhr als ich 9 war oder so auf ein Seminar in Bayern.
    Später sah ich, das er seine Winterstiefel vergessen hatte.
    Noch heute seh ich den Blick nch draußen auf die Straße. Schnee und das Abendlicht. Ich war untröstlich.
    Grüße aus dem Norden
    Oona

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  7. Liest sich sehr anstrengend und als Außenstehender kann mans nur erahnen, wie es sich anfühlen muss.

    Ich hoffe er packt ihn nicht nochmal vor der Heimkehr des "Herrn Bodenlegers".

    Ich wünsche dir auch mein Beileid! Und wünsche dir Kraft für die Beerdigung.

    seid ganz lieb gegrüßt

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  8. Liebe Elisabeth,

    wieder hast Du es geschafft alles auf die Reihe zu bringen. Ich zieh den Hut.
    Trotz so vieler Probleme schaffst Du es so wunderschöne Fotos zu machen und zu zeigen. Vielen Dank und Kopf hoch.

    LG
    Brigitte

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  9. Oh, das klingt schon sehr nach Robert, auch wenn ich das Gefühl habe, diese Stimmungsschwankungen gab es vor ein paar Monaten noch nicht. Was auch immer sich da gerade in seinem Gehirn abspielt ...

    Ich hoffe, die Schulsituation hat sich etwas beruhigt, auch wenn Dein letzter Post nicht danach klang. :(

    Daß der Robert nach dem Schlaf nicht mehr an die Aufregung von letzter Nacht gedacht hat, wundert mich gar nicht.

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  10. Liebe Elisabeth,

    ach, menno, was ist schon einfach...ich drück dir die Daumen, dass dein Robert es aufnimmt, einfach so...

    von Herzen, Rachel

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  11. ...wundervoll deine Fotos, liebe Elisabeth,
    und wundevoll deine Geduld mit Robert und dass du am Ende noch lachen kannst...

    lieber Gruß von Birgitt

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  12. Oje, da kann ich verstehen, dass die Nerven irgendwann blank liegen. Bewundernswert wie ihr das schafft.
    LG Sabine

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  13. oh mann,
    Elisabeth, ich würd das nicht annähernd so gut hinkriegen wie du....
    ich wünsch euch morgen einen stressfreieren Tag
    ganz liebe Grüsse
    Tanja

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