Mittwoch, 20. März 2013
Wer?
Robert schläft nie durch. Heute Nacht stand er nun vor unserem Bett, schmuggelt sich ganz vorsichtig zwischen uns und sagt plötzlich:
"Wenn ihr meine Plüschkatze findet, dann gebt Ihr mir sie wieder, ich vermisse sie so, ich brauche sie doch zum weiterschlafen!"
Was? Wem? ... soll ich finden?
Wörter die ich gar nie verwende. Plüschkatze hat noch nie jemand gesagt hier. Ich war putzmunter mitten in der Nacht.
Wir haben Kuscheltiere. Er hat einen Hund als Kuscheltier, der ist ziemlich gross. Der ist immer mit im Krankenhaus gewesen, an den Kurzzeitpflegewochen war er mit "ausser Haus". Der Hund heisst "Maria".
Robert hat viele Kuscheltiere, er schläft auch immer mit einem Kuschelchen im Arm. Das wechselt ab und zu. Momentan ist es die Katze.
Das Wort "Plüschkatze" und die Art wie er es gesagt hat haben mich lang über seine Ausdrucksweise nachdenken lassen. Wo hat er die seltsamen Sätze, Wörter her?
Er ist schon oft aufgefallen, weil er so besonders spricht. Nach dem Veeh-Harfenkonzert in der Schule kam er an meinen Tisch gelaufen und frägt:
"Madame, wie hat Ihnen das Konzert und die lieblichen Melodien gefallen?"
Wir leben schon immer mit seinen besonderen Sätzen, oft fallen sie uns gar nicht mehr auf, manche haben wir übernommen.....
"Guten Morgen, junger Mann. Aufstehen! ... "Hat der Tag begonnen? Ich komme wenn der Kaba und die Medizin angerichtet sind!"
"Alles ist angerichtet" .... ruft die Mama kurze Zeit später durchs Haus. Für normale Familien wohl recht seltsame Sätze.
An meinem Tisch beim Konzert sass ein älteres Ehepaar ... sehr viel älter! Die Beiden haben mich angeschaut und dann sagte die Dame: "Sind Sie von hier?"
"Ja, schon immer!"
"Die Sprache ist so anders. Versteht er bayrisch net"?
"Doch, Robert ist mitten in Bayern auf die Welt gekommen, spricht an manchen Tagen richtig bayrisch. Doch an besonderen Tagen, so wie heute .... drückt er sich halt so aus. Er ist Autist. Die sprechen manchmal so!"
"Unser Enkel hat das Down-Syndrom. Das sagt man heute so. Den kann man fast nicht verstehen, aber so daherreden tut er net, des braucht's auch gar net!" ... sprach der Opa des Enkels.
Robert kam wieder an den Tisch gelaufen, ich wollte vor ihm das Gespräch nicht vertiefen. Es blieb ein komisches Gefühl zurück. Ich hab Oma und Opa ganz genau mit dem Enkel beobachtet die nächste Stunde. Die Oma versucht mit dem Enkel zu sprechen, geht aber auf seine Gesten gar nicht ein. Der Opa war sehr "nicht da", irgendwer hat ihn wohl gezwungen mit zum Ostermarkt der Schule zu gehen.
Die Mama ist wirklich nett, noch sehr jung. Mit ihr kam ich später ins Gespräch. Es sind Uroma und -opa, die dabei waren. Der Opa tut sich schwer zu verstehen warum der Bub so ist wie er geworden ist. Der Bub ist ein liebes Kind, sehr lebhaft und stark.
Auch ein Kind, das Robert packt, sehr fest drückt. Das liebt er, der Robert. Das spürt er.....das tut ihm gut, wenn er die Menschen spüren kann.
So ein Nachmittag in einer Schule für geistige Förderung ist immerwieder ganz besonders. Aber auch viel zum Nachdenken. Nichts ist gewöhnlich dort.
"Können wir nun endlich die Schule verlassen und nach Hause fahren. Ich habe noch äusserst wichtig Termine!" ... sprach der Robert irgendwann. (ich hab da schon ein bisschen länger immerwieder gesagt, dass wir nun heimfahren. ER hatte noch keine Zeit dazu!)
"besonders-gewöhnlich" ...heisst unser Blog nun schon so lange. Ich weiss nicht mehr wie ich auf den Titel kam. Momentan ist nichts gewöhnlich hier .....
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Liebe Elisabeth, ich musste gerade sehr schmunzeln bei deinem Post. Habt ihr die Katze gefunden? Wenn ich von Roberts Schlafverhalten lese, bin ich wirklich froh, dass der Große durchschläft und meistens auch 10-11 Stunden, das braucht er. (dafür haben wir noch zwei andere kleine Mäuse, die nachts unser Bett teilen, hihi).
AntwortenLöschenUnd diese seltsame Sprechweise, das ist oft sehr witzig, finde ich. Als wir das erste mal ins Autismustherapiezentrum kamen, wurden wir auch sehr ungewöhnlich von einem autistischen Jungen begrüßt und ich fühlte mich sofort wohl da ;-) An diesen "besonderen" Orten muss man sich mit seinem besonderen Kind einfach nicht so verstecken, das ist ja auch mal eine kleine seelische Auszeit- finde ich zumindest.
Schön, dass es bei euch auch so nette Veranstaltungen gibt!
Ich schicke euch ganz liebe Grüße!
Miriam
Oh Elisabeth, ich muss grad schmunzeln, wir reden hier so eine Mischung aus schwäbisch/bayrisch ( deshalb tut man sich beim schreiben und lesen lernen recht schwer :o))....aber mein David hat grad so ne Mode , wenn wir wo sind und uns verabschieden, egal wo, dann kommt immer "einen schönen Tag noch" und das in reinstem Hochdeutsch....da schauen dann alle recht dumm daher :o)
AntwortenLöschenFür Außenstehende faszinierend, was Du so berichtest. Ich kann mir vorstellen, daß Robert mehr Dinge und Zusammenhänge weiß als man sich vorstellen kann. Er lebt in einer eigenen Gedankenwelt und immer wieder werdet ihr bestimmt erstaunt sein über das was er sagt oder denkt.
AntwortenLöschenIch kann mir gut vorstellen, daß so alte Leute wie Du schriebst oft nicht verstehen, daß ein Kind eben anders ist und sich von der allgemeinen Vorstellung abhebt.
Das packen ja aber oft auch junge Menschen nicht.
LG
Brigitte
Was für ein schöner Post! Robert ist eben sehr besonders. Mien Großer hat auch oft merkwürdige sehr altertümliche Redewendungen verwendet. Mit 3 Jahren lag er in seinem Bett und sagt: ach mMma mir ist so wonniglich.
AntwortenLöschenUnd was der Robert sagt, finde ich wunderbar, schöne Wörter, schöne Sätze.
halloooooooo ihr lieben:-))
AntwortenLöschenich musste schmunzeln, wie ich den eintrag von dir7euch gelsen hab:-)) so gewählt ausdrücken...ganz ehrloch, es würd mir ein freude sein mal so mit eurem buben zu reden:-)) wenn man das gestammel der meisten jugendlichen hört -wird mir speiübel:-)) da müsst ich mal glatt mit der keramik reden *lol*....denn mehr als allder, bische hier oder wa? oder hööö ma...bisse dooffff.....ne, dann ordendlich konversation pflegen:-))) dank robert!!!!!!!! ganz libe grüsse und tippfehler wahrscheinlich..hihi sendet euch die sonnengewand^v^
Hier "nur" mildes Asperger, aber eine sehr ähnliche Vorliebe für derartige Formulierungen: gespreizt, umständlich, oft auch knapp an der Bedeutung vorbei und ja, auch schön, ausdrucksstark, sprachlich reich,poetisch und fast druckreif.
LöschenLeider bemerkt er nicht, dass diese Art zu reden in Alltagssituationen eher unangemessen ist und wirkt daher im besten Fall eigenartig,wie aus der Zeit gefallen. Im ungünstigeren Fall erlebt man ihn als überheblich.
Ach.
Anka
Liebe Elisabeth
AntwortenLöschenDanke für diesen sehr interessanten Post. Ich denke, dass es doch ganz besondere Momente sind, wenn Robert neue Wörter spricht. Ja, es sind doch wahre Glücksmomente.
Ich wünsche Dir eine glückliche Restwoche und grüsse Dich herzlichst Yvonne
Hallo Elisabeth, nachdem du bei mir so nette Worte geschrieben hattest - Danke dafür -, wollte ich sehen, wer mir da schreibt.
AntwortenLöschenDein Blog geht sehr nahe und ich finde es schön, wie du über den Alltag erzählst und einen kleinen Einblick gewährst.
LG. Mimi
Hallo Elisabeth, ich musst auch schmunzeln. Wir leben ja auch mitten in Bayern und unser Asperger Autist spricht ja nur hochdeutsch und zudem manchmal sehr "geschwollen". Aber dafür kann man ihm bei jedem Wort nach der Rechtschreibung fragen, da macher nie Fehler und die restl. Familie profitiert davon.
AntwortenLöschenIch lese immer sehr gerne bei dir mit, da ich uns auch oft wiederfinde.
Liebe Grüß Andrea
besonders gewöhnlich....
AntwortenLöschenIch finde, das paßt wunderbar. Ihr schreibt vom Alltag, vom "Gewöhnlichen". Aber das ist eben bei euch besonders. Nicht: anders oder gar abweichend von irgendeiner willkürlichen Norm. Besonders eben!
Liebe Grüße