Heute vor 16 Jahren ist meine Mama gestorben.
Wenn ich an sie denke, dann spüre ich ganz viel Schweres. Ein Leben von 1935 bis 1995
voller Schicksalsschläge....
Sie wurde in Ostpreußen geboren. Erst die letzen Wochen erzählt mir ihre älteste Schwester viel von der Kindheit in diesem wunderschönen Land. Gerdauen, die Masurischen Seen...
Sie musste mit 9 Jahren über das Haff fliehen. Im Januar 1945 ,,, ein bitterkalter Winter.
Meine Tante kann heute noch nicht die Filme ansehen, die von dieser Zeit berichten. Meine Mama hat nie von den Erlebnissen gesprochen.
Aufgewachsen ist Mama dann in Moers.Sowohl ich als auch die ältere Schwester sagen heute, sie ist eine richtige Rheinländerin geworden. Nun weiss ich, dass sie auch die Karnevalsumzüge sehr geliebt hat. Sie hat Herrenschneiderin gelernt, kam zur Hochzeit der älteren Schwester in die Oberpfalz ... lernte dort den Freund des Bräutigams kennen...
Der fesche junge Mann von damals wurde dann mein Papa....das wurde er schon bevor er ihr Ehemann wurde....doch damals waren es noch andere Zeiten. Es wurde geheiratet...die Ostpreußin "musste" Oberpfälzerin werden (im Herzen wurde sie es nie). Nach mir bekam sie Zwillinge, die beiden waren dann schon so richtig "ehelich", und weil drei Kinder nicht reichten bekamen meine Eltern noch zwei Mädels.
Und immer wieder zog sich ein trauriger Faden durch ihr Leben.
Ihre Mama starb mit 59 Jahren an einer schlimmen Krankheit.
Dann bekam die zweitälteste Schwester Krebs. Als sie starb war sie 30 Jahre alt, hatte drei Kinder, die Jüngste war 3 Jahre....
Noch im selben Jahr starb die drittälteste Schwester. Sie fiel auf der Flucht ins eiskalte Wasser des Haffs. Sie hat sich nie vom Herzrheuma erholt, war nie mehr gesund, durfte nie eine eigene Familie haben. Der Tod war schneller.
Die Traurigkeit die in das Leben von meiner Mutter einzog habe ich als Kind immer gespürt. Konnte sie mir nie erklären ....erst als ich selber erwachsen war habe ich gewusst dass es oft Depressionen waren.
Nach ihrem jüngstem Kind musste sie operiert werden. Es ging alles schief. Heute nennt man das Ärztepfusch. Sie wurde nie mehr gesund, musste unzählige Operationen überstehen. Ist zweimal fast gestorben.
Dann wurde auch noch ihr jüngster Bruder völlig unschuldig von einem Auto angefahren. Er starb nach Monaten an den Folgen des Unfalls....
Leider bekam sie dann auch noch eine der schrecklichsten Krankheiten, die auch heute noch unheilbar ist.
ALS
Wer jemals dieses lange Sterben, dieses schon frühe Wissen um einen schrecklichen Tod erlebt hat ....der weiss wie sehr sie gelitten hat. Ihre fünf Kinder, der Ehemann und viele andere ....
Der 5.August 1995 war ein heisser Sommertag. Ihre letzten Tage war sie wieder im Krankenhaus. Ich kann heute noch nicht drüber schreiben, wie hilflos, wie traurig und entsetzt ich mich gefühlt habe.
Ja, sie wurde von ihrem Leiden erlöst. Und doch fehlt sie so sehr. Wünsch ich mir immerwieder, dass sie das Weiterwachsen ihrer grossen Familie noch erlebt hätte.
Von ihren 15 Enkelkindern hat sie vier nicht mehr kennengelernt. Vier Urenkel kann sie nur noch vom Himmel aus sehen...
Als vor sechs Jahren mein Bruder verunglückt ist, hab ich mir oft gedacht "Wie wird das nun sein? Hat sie ihn zu sich geholt? Sehen sie sich wieder. Wie ist das da oben....wie finden Mama und Sohn zusammen"
Es ist seid ihrem Tod immer eine Zeit der Erinnerung...
doch am 5.August sind die Erinnerungen noch mehr, noch tiefer ...
Ich wünsche Ihr so sehr, dass sie nun für ihre Seele die Ruhe gefunden hat.
Robert hat heute morgen schon geschimpft: "Jetzt regnet es auch noch! Wie soll die Oma mich von da oben nun hier unten winken sehen?"
Sie wird es spüren, da glaub ich ganz fest dran ....
Meine Mama ist in der Oberpfalz begraben. Und weil in einer grossen Familie nicht immer alle an einem Strang ziehen (leider) hat die Jüngste von uns Geschwistern ganz allein beschlossen, dass der Vater seine letzte Ruhestätte in Wiesbaden zu haben hat.....
Mama, das hätte ich so gern verhindert. Keine Chance. Das ist seid über zwei Jahren das Allerschlimmste für mich....das ihr im Tod nicht vereint seid. Und dann denke ich wieder, dass der Himmel so weit, so gross, so unendlich ist....Eure Seelen sind da oben.....Dich hat nichts mehr in der Oberpfalz gehalten. Du verstehst, warum ich auch nicht mehr ans Grab gehe....ich finde Dich im Herzen.
Deine Grosse
Liebe Elisabeth,
AntwortenLöschenDu hast einen wunderschönen Text geschrieben, voller Wärme und Liebe. Und einen solchen Tag wünsche ich euch. Und Robert, ich bin ganz sicher, daß die Oma dich jeden Tag sieht und heute ganz besonders! Ein Pfarrer hat mal gesagt, Regen sei früher ein Zeichen für die Nähe Gottes gewesen, also laß es ruhig ein bißchen regnen heute.
Mein Vater war auch aus Ostpreußen (fünf Jahre älter als deine Mama), auch im Januar 1945 geflohen, auch er hat immer von der wunderschönen Landschaft dort erzählt, nie aber von den Erlebnissen auf der Flucht. Gestorben ist er vor bald 18 Jahren, ein Grab gibt es schon gar nicht mehr (meine Mutter hat es auflösen lassen, kostet ja nur Geld und ist unnütz) und so kann ich ihn auch nur im Herzen bewahren. Vor zwei Jahren hatte ich die Gelegenheit, nach Danzig zu reisen und ein klein bißchen von dem kennenzulernen, was mein Vater in der Kindheit und Jugend gesehen hat und ich kann sagen, es ist wirklich wunderschön dort an der Ostseeküste!!! Die masurischen Seen möchte ich auch mal noch bereisen, denn das war für meine Oma der schönste Fleck der Erde.
Alles Liebe,
Karen
Liebe Elisabeth dein Post hat mich sehr berührt,aber denke der Himmel ist überall und so werden deine Eltern wieder vereint.An solchen Gedenktagen ist uns allen sehr schwer ums Herz das kann ich dir gut nachfühlen. Sei ganz lieb gedrückt und alles wird besser. Ilse.
AntwortenLöschenZum Glück ist Wiesbaden auch eine schöne Stadt - und Mainz auch und Rheinhessen und der Odenwald sowieso. ;)
AntwortenLöschenLieb Elisabeth, ich bin mir ganz ganz sicher das die sich liebenden Seelen im Himmel wieder vereinen. Beerdigt wird doch nur die menschliche Hülle. Deine Mama war bestimmt eine sehr tapfere und mutige Frau, und sie hat Dir viel davon mitgegeben! Und zu Deiner Nachrucht im Blog wegen des Hundes: ja, ich bin mir ganz sicher das Hunde einen 7. Sinn haben und spüren, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Ich wünsche Dir für heute, das Deine Mama Dir gute und liebe Gedanken schickt, und vielleicht ein bischen Sonne ins Herz!?
AntwortenLöschenAlles Liebe!
♥♥♥Rosine
AntwortenLöschenWas für eine ans Herz gehende Lebensgeschichte... und welch wunderschöne Worte hast du für deine Mama gefunden. Ich bin mir sehr sicher, dass sie dir zuhört, dass sie jeden Gedanken von dir als Zwiegespräch dort oben mitbekommt und ganz nah bei dir ist, eben in deinem Herzen....
AntwortenLöschenIch drück dich ganz fest aus der Ferne.
LG; dieMia
Liebe Elisabeth,
AntwortenLöschenDu weißt wie sehr ich mit Dir fühle, wie gut ich nachempfinden kann. Eine Mama verlieren tut so weh ... mir ist klar, dass es nach vielen Jahren immer noch weh tut. Tränen hatte ich in den Augen als ich die Geschichte Deiner Mama las.
Leider ziehen nicht alle Familienmitglieder an einem Strang, ich kenne das sehr gut. Auch wenn man weiß, die Menschen sind in den Herzen, so tut es doch weh, wenn man die Eltern nicht vereint weiß. Bei uns ist es auch so aber aus anderen Gründen.
Die Oma sieht den Robert bestimmt winken und jetzt hat es ja zu regnen aufgehört.
Liebe Grüsse
Angelika
eigentlich bin ich nur ein stiller Mitleser..aber heute...denke ich durch deinen Beitrag auch an die meinen, die ich so gerne um mich hätte, die aber alle bestimmt gemeinsam auf einer wolke sitzen und lachend meinen Alltag erleben...meine Eltern, die vieles durchgemacht haben, bevor sie starben,meine schwester, die auch an ALS gestorben ist, mein mann, der in jungen jahren an einem Hirntumor gestorben ist,...ja ..und ich....? manchmal schaue ich mit meinen drei Töchtern im Abendhimmel nach oben und frage mich, ob wir uns jemals wiedersehen werden..
AntwortenLöschenliebste Grüße Barbara
Liebe Elisabeth, wie schön und wie traurig zugleich. Warum nur müssen Menschen so viel schlimmes erleiden? Es tut in der Seele weh - und ich kann so gut nachvollziehen, dass du deine Mama vermisst.
AntwortenLöschenIch wünsche dir trotzdem einen wunderschönen und nicht allzu wehmütigen Tag. Fühl dich lieb umärmelt.
Birgit
PS. meine Mama stammt übrigens auch aus Ostpreußen - und ist 1935 geboren........
PPS. Dies ist meine zweiter Kommentar *g* ich schaffe es immer wieder zu kommentieren und dann irgendwie rauszugehen, so dass der Kommentar im Nirwana verschwindet.....
...deine Mutter ist tod, liebe Elisabeth,
AntwortenLöschenund lebt doch, denn sie ist in deinem Herzen, sie ist bei dir...und deine Worte sagen das ganz deutlich...
..ich persönlich finde es ganz egal, wo ein Körper begraben liegt, denn die Seele ist sowieso nicht dort, sondern im Himmel, in uns, um uns...
...die Trauer und das Vermissen gehören zu dem heutigen Tag, ein bißchen zu jedem Tag, aber auch die Freude der gemeinsamen Erinnerungen und die Erwartung des Wiedersehens...
sei ganz lieb gegrüßt und umarmt von Birgitt
*TRÄNCHENWEGWISCH*
AntwortenLöschenOh, liebe Elisabeth ... *schneuz* ... das hast du so wunderschön geschrieben.
Weisst du, gerade eben liest Deine Mutter Deinem Vater und Deinem Bruder diese Zeilen vor. Sie halten sich an den Händen und reden von Dir, von euch. Sie lächeln und sind glücklich, dass Du so von ihnen sprichst, erzählst. Dass Deine Gefühle so tief, so wahr sind. Du machst sie so glücklich. Sie feiern den Geburtstag, sie feiern auch Dich.
Was hier unten bleibt sind die Erinnerungen - und wo immer man beerdigt ist, das ist "nur" das, was an Material von uns bleibt. Aber die Seele, die ist frei. Und sie fliegt. Wird gerufen von den Lieben da oben, wird geleitet vom Gefühl.
Wenn Du wüsstest, wie schön es da ist. Dieser Frieden da.
Wieso ich das weiss? Weil ich schon 2 mal fast drüben war, einmal für die Aerzte nicht rückholbar - Herz- und Lungenversagen beim Kaiserschnitt. Ich war weg. war bereits weg. Und dann haben sie meine Mutter geholt, die sprach mit mir. Ich war schon fast drüben. Meine Grosseltern waren da, mein roter Kater Max, Karin - die Schulfreundin von damals ... und von weitem die Stimme meiner Mutter, die sagte, dass meine Kinder noch so klein sind und ich nicht gehen soll. Da bin ich ganz bewusst umgekehrt. Und für die Aerzte unerklärlich hat mein Herz wieder zu schlagen begonnen. Nach 2 Minuten.
Ein Wunder, sagt man. Seither weiss ich, dass es drüben schön ist. Und liebe Menschen warten.
Liebe Menschen die uns vorangegangen sind. Sie sind nicht weg ... sie sind nur auf der anderen Seite der Strasse und wir können sie durch das Fenster in unserem Herzen sehen wann immer wir wollen.
Das verspreche ich Dir.
Mit einer liebevollen Umarmung und ganz viel Gefühl
Fränzi
Liebe Elisabeth,
AntwortenLöschenDu schilderst etwas, daß tausende Menschen erlebt haben-die Flucht aus der geliebten Heimat.
Ich erinnere mich daran, daß auch in unseren kleinen thüringischen Ort Flüchtlinge kamen.
Nicht willkommen von den Leuten, denn sie hatten ja selber nichts.
Damals als Kind hat man das alles nicht verstanden. Ich weiß nur noch, daß ich eine innige Freundschaft mit einem Flüchtlingsmädchen Marga schloß.
Von meiner Mutter nicht gern gesehen-warum nur?? Aber ich hing an meiner Marga.
Dieser furchtbare Krieg hat soviel Leid gebracht und viele Menschen haben sich einfach nicht davon erholt.
Ich bin mir sicher, daß das Band zwischen uns Lebenden und den verstorbenen Lieben immer besteht.
Liebe Grüße
Brigitte
16 Jahre schon... und dennoch lesen sich die Zeilen über deine Mama so lebendig.... Man merkt, sie ist noch immer ganz nah bei dir - egal wo denn ihr Körper zuletzt Ruhe gefunden hat.
AntwortenLöschenWichtig ist, dass sie für dich immer ein besonderer Mensch bleibt.
Macht euch ein schönes Wochenende mit warmen Gedanken an deine Mama!
liebe Grüsse
Tanja (bei der heute die Sonne endlich scheint...)
lass dich ganz fest drücken, ich kenne diese fiese Krankheit auch...die hat mir zwei Freunde genommen, obwohl wir so arg gebetet haben, Spenden gesammelt für Behandlungen die keine KK zahlte, aber 2002 ist der erste gestorben...mit knapp 30 !
AntwortenLöschenmeine Oma und Schwiegermutter schimpft auch immer über solche Filme von der Flucht, die werden auch nicht angeschaut, obwohl sie nicht auf der Flucht waren, aber das Leid und die vielen armen Menschen vorallem Kinder, das vergisst man nie.
ganz ganz liebe Grüße
Alex
... ach, mir treibt es jetzt auch die Tränen in die Augen... Kein leichtes Leben, so viel Schicksalsschläge!! Bei euch hat sich da wirklich etwas gehäuft... und du weisst, ich kann nachvollziehen, wie du dich heute - und nicht nur heute - fühlst. Eigentlich sind es ja nicht nur"solche" Tage, sondern "es" kommt und geht, wie es will...
AntwortenLöschender Trauer ist man einfach ausgeliefert. Und bei dir ist es nach 16 Jahren auch noch allgegenwärtig und so wie früher. Ich denke ja auch, die Trauer wird eigentlich NIE vergehen. Es wird anders und es ist nicht täglich da, aber man ist bis an sein Lebensende damit behaftet, ob man will oder nicht...
Dein Post ist schön... ich glaube, du hattest letztes Jahr einen ähnlichen geschrieben, wenn ich mich nicht täusche... so vergeht Jahr für Jahr, unglaublich.
Mach`s gut und vielen Dank auch noch für deine lieben Kommentare! LG von Ann
Liebe Elisabeth,
AntwortenLöschenich möchte eigentlich nichts dazu sagen. die Geschichte hat mich sehr berührt. Es gibt Lebenswege, die nicht leicht sind wo man sich fragt, warum?
Einen lieben Abendgruß sendet
Irmi
*schneuz* hach... elisabeth ich weiß nicht was ich auf diesen post schreiben soll, es wurden mir schon soviele worte hier aus dem Mund (oder fingern ) genommen...
AntwortenLöschenich hoffe so sehr, das wenn es bei meiner Mama soweit ist, und sie erlöst wurde - du weißt ja, der Tot begleitet uns auch jeden Tag... das ich dann 16 jahre später noch genauso lebendig und voller liebe über sie schreiben kann..(du verstehst die Zweideutigkeit in diesem satz ganz sicher) ganz egal was alles gewesen ist.
Deine Mama wischt sich auf ihrem wölkchen ganz sicher auch ein tränchen weg mit einem Lächeln im Gesicht... <3 fühl dich gedrückt
LG Nike