Samstag, 8. März 2014
Das 1.Foto von Robert im Blog
Fast vier Jahre ist das nun her.
Er hat sich sehr verändert, der Robert.
Simone, Du hast mich im Kommentar gefragt ob wir von Anfang an gemerkt haben, dass Robert anders ist.
Ja, ein Eindeutiges "ja". Aber niemand anderer sonst hat ersteinmal auf unsere Fragen reagiert, genau hingeschaut.
Robert kam zur Welt und als er dann das 1.Mal von der Hebamme auf den Wickeltisch gelegt wurde fing er an kreischend zu schreien und wäre fast runtergefallen. Er hat sich selber so nach hinten durchgebogen und dann die Spannung wieder losgelassen, dass sie ihn gerade noch vor dem Sturz auffangen konnte.
Sie war sehr erschrocken, hatte so etwas noch nie erlebt, auch sonst keiner im Kreissaal.
Der Kinderarzt konnte dieses steife Neugeborene fast nicht untersuchen. Auch er hat den Kopf geschüttelt ... mehr nicht.
Wir sind bald nach Hause gefahren. Am Vormittag kam dann unsere Hebamme. Sie kam vier Wochen lang jeden Tag und wunderte sich mehr und mehr. Ein kreischendes Baby, ein steifes Baby, das Stillen war so schwer ..... Windelwechsel .... ein Kraftakt an machen Tagen.
Wen Robert schlief wurde er ganz "weich", hat sich immer ganz eng angekuschelt, eine Händchen hielt sich fest an Mama, Papa ... wer ihn halt gerade im Arm hielt. "Er hat sich wieder angedockt!", sagten die grossen Geschwister oft.
Die Hebamme hat dann einen Termin bei einer Kinderärztin ausgemacht für uns. Es wurden sehr viele Termine, sehr viele Therapien, Untersuchungen..... Aber auch diese Ärztin ist nicht auf "frühkindlicher Autismus" gekommen. Sie nicht, die nachfolgenden Ärzte nicht, die Erzieher im ersten Kindergarten nicht ... Es war ein Integrationskindergarten. Wir wurden nach einem Jahr gebeten das Kind wieder abzumelden, weil er ist noch nicht reif genug für den Kindergartenbesuch. So war das! Robert war 4 1/2 Jahre alt, bekam dort Einzeltherapien, hatte eine Gruppenleiterin die sehr viel mit ihm geschrieen hat ... und nach einem Jahr war er wieder zu Hause, weil ER nicht reif genug war ....
Nach einem halben Jahr ist er dann in einen heilpädagogischen Kindergarten aufgenommen worden. Zwei gute Jahr begannen. Auch dort kam keiner auf "Autismus", aber die Menschen haben das Kind Robert gesehen. So wie er war sind sie auf ihn eingegangen, mit ihm umgegangen. Einfach war es nie, aber der Weg war ein Guter ....
Wir hatten, als Robert 6 Jahre alt war einen ganz jungen Kinderarzt, er übernahm die Praxis von unserem "alten" Herrn Doktor. Dieser Arzt sagte nach dem 3 Besuch, dass wir doch mal in die Haunersche Kinderklinik zu Untersuchungen mit Robert gehen sollen. Die ersten genetischen Suchaktionen begannen.
Die Mama hat immer mehr angefangen zu lesen, sich mit dem Internet vertraut gemacht und selber irgendwann gesagt: "Autismus!?! kann es das sein?"
Weder der Kinderarzt noch die Ärzte der Münchner Kliniken, noch des Kindergartens sind drauf eingeganen.
Wir haben uns um einen Termin in der HeckscherKlinik bemüht. Nach 5 Monaten Wartezeit begannen die Tests. "Wem sollen wir die Berichte senden?"
"Niemanden, wir haben keinen Arzt mehr." ... so haben wir das dann gemacht. Wenn er Schnupfen etc. hatte sind wir mit ihm zu unserer ganz normalen Hausärztin gegangen. Sie war es dann auch, die als 1.Ärztin sagte, es könnte wirklich Autismus sein! Ihr liegt nicht falsch.
Da war der Bub sieben Jahre alt.
Kurz darauf kam das Gutachten der Klinik.
"Frühkindlicher Autismus und noch mehr!" ... sieben einhalb Jahre war das Kind alt.
Wir sind seitdem in Landshut im SPZ. Das haben wir uns selber rausgesucht, obwohl wir da als Münchner ersteinmal gar nicht hingehörten. Robert wurde als Patient aufgenommen, die Diagnose wurde "vertieft", die Ärzte wollten gar nicht glauben, dass bei den tiefen Auswirkungen des Autismus noch keiner vorher drauf gekommen ist ...
Vom ersten Termin an wurde Robert dort als "Robert" gesehen, angenommen ... Ja, auch Ärzte müssen ihre Patienten annehmen, mit ihnen umgehen wollen!
Nach vier Monaten war dann auch die Epilepsie als solche erkannt. Zwei Kliniken hatten uns alles mögliche einreden wollen. Von Fieberkrämpfen bis "Sie wirken sehr nervös, übervorsichtig .... !" wurde uns alles gesagt. "Krampft er denn wirklich, können Sie uns vormachen wie es aussieht?"
Aus dieser Zeit stammt das Video, dass Michael gemacht hat. Nachts während eines längeren epileptischen Anfalls. Dieses Video haben wir nachträglich in eine der Kliniken gebracht. "Er hat einen klassischen epil.Anfall" sprach da der Herr Doktor. Dürfen wir das Video verwenden?"
Ja, sie dürfen es seitdem verwenden, doch wir "verwenden" die Dienste der Klinik lang schon nimmer.
Das war kurz die Geschichte, der lange Weg bis zur Diagnose. Jahrelang hat die Wirklichkeit gedauert.
Natürlich hätte es nie am Autismus, an der Epilepsie etwas geändert wenn wir es früher gewusst hätten. Aber es wären uns viele, sehr viele Situationen erspart geblieben wenn alles schon eher klar "einen Namen" gehabt hätte. Das erste Kindergartenjahr muss für Robert tagtäglich eine Qual gewesen sein. Jeden Tag hat er geweint. "Ungezogen etc." wurde er abgestempelt. Ich weiss nicht, wie oft er vor dem Teller ewig lang sitzen musste, weil er nicht essen wollte .... (er kann nichts essen was auf dem Teller gemischt ist, bitte, alles extra!)
Er war oft vor der Tür, weil er sich nicht benommen hat. Da ging es ihm dann aber witzigerweise gut, er sass da auf einem Stuhl und hat gesungen! Wir fanden es nicht schön, ich finde das nie schön, habe noch nie ein Kind so ausgegrenzt. Dass er dort gesungen hat, hat dann die Erzieher wieder geärgert! "Frech, was soll aus dem werden?!"
Die HPT ist auch ohne die Diagnose gut mit ihm umgegangen. Aber auch von dort war hinterher zu hören, dass es andere Therapien, Umgangsmöglichkeiten gegeben hätte, wenn .....
Ich habe letzte Woche eine Mama kennengelernt, ihr Kind bekam die Diagnose frühkindl.Autismus vor vier Wochen. Auch dieses Mädel ist 8 Jahre alt.
Ich hab es nie studiert, alles was ich über Autismus weiss ist aus Büchern, Internet, Beobachten.
Mittlerweile auch durch Kontakte mit Familien wie wir.
8 Jahre .... mitten hier im Land. Die Mama erzählte uns Sachen die nur noch den Kopf schütteln lassen.
Sie ist sich sicher, dass es so kam, weil sie nicht so sehr gut Deutsch spricht, aus Rumänien kommt. Nein, das glaube ich nicht!
In unserer Selbsthilfegruppe gibt es zwei Kinder mit frühkindlichem Autismus. Bei beiden wurde vor dem 2.Geburtstag die Diagnose gestellt.
Wie kommt es zu solchen Unterschieden?
Oh, nun hattet Ihr viel zu lesen.
Ich wünsche Euch einen wunderschönen Samstag. Habt Ihr auch Frühlingsluft vor der Türe? Ist das nicht herrlich?
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Ich danke Dir für den ausführlichen Bericht. Ich habe eine Enkelin, sie ist vier Jahre und die Diagnose fällt wohl auch so aus wie bei Robert.
AntwortenLöschenDas ist schwer, wir haben nicht so Nerven wie Du. Der Vater ist schon lange weg, die Tochter ist in der Ausbildung, das Mädchen meist bei mir.
Aber wenn wir die Diagnose haben wird es besser. Noch ist sie in einem Kindergarten der nur noch schimpft. Sogar ich als Oma musste mir schon schlimmes anhören. Ja, zum Kopfschütteln im Jahr 2014.
Ich lese hier oft rein. Ich bin so alt wie Du. Ich bin schon froh, dass ich "nur" die Oma bin. Ich wünsche Dir weiter Nerven und Kraft.
auch hier scheint so sehr die Sonne, dass ich fast vergessen mag, dass es erst März ist. Ich liebe die Wärme.
viele Grüsse von der Gegend um die Weinberge
Anni
Oh Wahnsinn, vielen Dank für den ausführlichen Bericht!
AntwortenLöschenTja...woran liegt es, das es bei einigen so lange dauert mit der Diagnose?
Ich denke es gibt nicht viel fähige Ärzte, die sich damit auskennen.
Meine Freundin wohnt in Berlin, da gibt es extra Kindergärten und Schulen, die Betreuung ist in einem Institut. Der Kindergarten hatte auch ein Auge mit drauf, ob sie die nötige Hilfe bekommt.
Schade, das es nicht überall in Deutschland so ist, vielen Kindern könnte schon eher die nötige Förderung und Anerkennung entgegengebracht werden.
Ich wünsche euch einen wunderschönen Frühlingstag❤️
liebe Grüße Simone
Danke für das Erinnerungsbild meine Liebe... ich kenne es ja.
AntwortenLöschenWeiterhin viel Mut, Elan und natürlich viel Liebe, die ihr dem Robert eh schon gebt.
Bewundere Dich Elisabeth und auch seine Familie. Hier draußen kann wohl keiner so recht glauben, was Ihr jeden Tag aufs neue stemmt.... und immer wieder meine ich, dass es schön ist, solche Kinder wie Robert bei uns zu haben. Vielleicht habe ich doch noch mal das Glück und wir lernen uns kennen ( Du weißt schon ).... sonnige Abendgrüße vom Lande zu Euch
herzlichst Antje
Hallo Elisabeth,
AntwortenLöschenich könnte hier immer so weiter lesen, du erzählst sehr gut und man kann alles nachempfinden. Jetzt hätte ich auch gerne gewußt warum man bei manchen Kindern schon früh die Diagnose hatte und bei Robert nicht, aber darauf gibt es wahrscheinlich keine Antwort.
Ja, wir haben auch Frühlingsluft um die Nase und herrliches Wetter!
LG Heidi
Hallo Elisabeth,
AntwortenLöschenunser Junior war schon fast 10 bis wir endlich die Diagnose hatten. Ich weiss garnicht mehr wieviele Ärzte wir konsultiert hatten
Und auch er war schon ab der ersten Stunde anders als andere
Nur ruhig solang man ihn in Ruhe lies, stillen? unmöglich!
Ja und Charlotte wird jetzt bald 7 und der offiziellen Autismus Diagnose laufen wir noch immer hinter her, denn DS und Autismus ist immer noch bei vielen Ärzten schlicht nicht möglich
Wir waren den ganzen Tag draussen, einfach super das momentane Wetter
LG
Beatrice
Liebe Elisabeth,
AntwortenLöschenich habe das gelesen und muss sagen: Was soll man darauf
hier sagen? Ich vermag das nicht. Ich muss das erst einmal verarbeiten.
Einen schönen Abend wünscht dir
Irmi
Ich lese und kann mir nur schwer vorstellen, was ihr zu bewältigen hattet und habt. Du hast meine allergrößte Hochachtung, liebe Elisabeth. Ich muss übrigens öfter an eure Hausgeschichte denken und an all die anderen Herausforderungen, von denen du vor einiger Zeit geschrieben hast. Woher nimmst du nur die Kraft für alles? Na, eigentlich weiß ich es.
AntwortenLöschenAlles Liebe, Roswitha
Wahnsinn, was ihr alles erlebt habt und erlebt.
AntwortenLöschenBewundernswert, wie ihr zusammenhaltet, egal was kommt.
Alles, alles Liebe! maria
Ach Elisabeth... für mich als nun auch Betroffene war es sehr interessant zu lesen (d.h. eigentlich wäre es das auch als Nichtbetroffene)...
AntwortenLöschenWenn man bedenkt, dass mein Sohn 12 1/2 ist und jetzt die Diagnose bekam... Wobei frühkindlicher Autismus ja eigentlich noch wesentlich eher zu erkennen ist als Asperger. Ich bin heute auch sauer, über die vielen Dinge, die uns in den letzten 2 Jahren widerfahren sind.... letztendlich grenzt sowas fast schon an Misshandlung... wenn ein Kind ein falsche Behandlung erfährt. So wie du es vom Kindergarten erzählst, er wurde als unartiger Junge dargestellt, musste immer vor die Tür usw.
Ich möchte eigentlich auch dafür eintreten, dass das ganze Thema wesentlicher mehr publik gemacht wird. Ich möchte andere Eltern "warnen" oder auch dafür sorgen, dass Kindergärten und Schulen die Anzeichen rechtzeitig erkennen...
Meinen Verdacht hat keiner so wirklich ernst genommen (außer im privaten Umfeld, da schon!), alle haben mich eher belächelt... und nun...!!
Aber ich fürchte, auch in Zukunft wird es von div. Seiten vielleicht nicht so ganz ernst genommen - so unter dem Motto "Dem sieht man es ja nicht an, kann nicht sein..."...
Na, schauen wir mal, was da noch so alles auf uns zukommt.
Ich bin dir noch immer eine E-Mail schuldig - sorry, aber derzeit habe ich auch so einiges um die Ohren, nicht nur in dieser Sache, auch in anderen Dingen... aber ich schreibe bald!
Habt einen schönen Sonntag - LG von Ann
Liebe Elisabeth, das ist ja himmelschreiend.
AntwortenLöschenMeine Güte, sooo aus der Welt ist Autismus doch nicht mehr.
Was für eine Marterstecke ihr hinter euch habt, schlimm.
meine israelische Freundin Vivi hat bis vor kurzem an einer Schule in Jerusalem gearbeitet, die auch Autisten betreuen.
Wie gut, dass das endlich hinter euch liegt.
Es muss schlimm sein, wenn man schon selbst den Verdacht hat... und niemand drauf eingeht.
Ganz liebe Grüße
Bärbel
Unglaublich! Mir fehlen echt die Worte ...
AntwortenLöschenAlles Liebe Dir und Deinen Lieben und danke für Deine offenen (wenngleich auch unfassbaren) Worte,
Sonja