Sonntag, 19. Februar 2017

Benotungen ....





Zwischenzeugnis

auch für Robert wieder.
Keine Noten, ganz viele Sätze

"Mama, les es mir nicht mehr vor. Das hat schon die Lehrerin ein bisschen gemacht. Ich will sowas nicht mehr hören!"


Es ist auch für mich nicht zu beschreiben.
Wie benotet man einen Jungen, fast 16 Jahre mit Autismus?
Mit frühkindlichem Autismus.

Im Zahlenraum bis 20 bemüht er sich mal mehr mal weniger schon jahrelang zurechtzukommen.
Dieses Halbjahr scheinbar mit Ehrgeiz. Aber ..... er weiss nun selber, dass das nicht mehr normal ist, nicht rechnen zu können.

Lesen und schreiben übt und übt er.
Scheinbar nun auch fleissiger und williger als oftmals vorher. Aber ... er weiss nun selber, dass es nicht mehr normal ist, nicht fliessend lesen und schreiben zu können in seinem Alter.

So könnte ich nun Punkt für Punkt durchgehen. Aber .... ich weiss nun selber, dass es nicht mehr normal ist das mal wieder zu tun.

Soll ich Euch von Robert erzählen? Robert mit Autismus.
Etwas fast unglaubliches ist geschehen. Er ist gewachsen. Aufeinmal, ohne Hormone etc.
Er ist nun

Einen ganzen Zentimeter grösser, als ich, seine Mama!

 Es wurde uns vorausgesagt, dass er niemals die Grösse von 145 cm erreichen wird.
Na sowas, hat er sich einfach nicht dran gehalten.

Robert ist für ein Gespräch immer zu haben. Am allerliebsten beim Autofahren.
Von der Weltpolitik bis zum Tierschutz
Von den Nachbarn bis zu den Menschen am anderen Ende der Welt
Vom Wetter bis zur Naturkatastrophe ....
und viel mehr ....
über all das kann man sich mit ihm unterhalten.

Ernst, richtig gescheit, lustig, amüsant, albern, doof .... usw.
Die ganze Bandbreite. Alles da ... wenn er will.

Robert der Tier- und Naturliebhaber.
Robert, der Junge, der Traktoren zum Lieblingsthema hat.
Ja.... wohl schon viele hunderte Male haben wir uns seine kl.Videos angeschaut. Über all die verschiedenen Bulldogs geredet.
Auch Menschen die das gar nicht interessiert werden vollgequasselt.
Das ist ihm egal. Das hat mit Autismus zu tun. Er merkt es nicht wenn jemand die Augen verdreht. Er redet einfach weiter .....

Robert, der Koch.
Leckere Gerichte zaubert er.
Wenn alle sagen: "Nein ... nicht schon wieder. Das gab es nun fünf Tage hintereinander!" ... dann ist ihm auch das egal. Das hat mit Autismus zu tun. Er merkt es nicht wenn jemand wirklich nicht gaaanz oft das selbe Gericht essen will. Er kocht es einfach weiter ....

Robert, der jüngste Bruder mit 5 älteren Geschwistern.
Am allermeisten "leidet" Susanne unter ihm. So wie er für manche unter Autismus "leidet" ....
Ihr versteht den kleinen Witz.

Sie leidet nicht, macht aber natürlich schon einiges mit. Geschwisterkind von behindertem Geschwisterlein halt.
Er leidet nicht, nein, ich kenne keinen Autisten der leidet.
Ich find das falsch, dass es oft so bezeichnet wird.

Die anderen Geschwister haben mal mehr mal weniger Begegnungen mit ihm.
Der älteste Bruder noch am öfteren. Aber der ist ja auch "leidend" an irgendwas mit der Psyche.
Das ist seine Aussage, die ich auch so schreiben darf.
Die beiden verstehen sich gut, und .... schaffen es am allerbesten sofort voneinander Abstand zu nehmen wenn sie sich gegenseitig zu viel werden.

Robert, der Bub, der nun einen Freund und eine Freundin hat.
Der Freund ist älter. Erfahren im Umgang mit Autisten.
Sieht Robert als Freund und sonst nichts. Der Autismus ist nicht das Thema zwischen den beiden.
Es ist für uns Eltern aber beruhigend, dass der Freund verantwortlich mit Robert die Freizeit verbringt.

Denn .... Robert hat mal wieder seine Profi-Betreuung vom FED verloren.
Nein, er kann nichts dafür. Denn wenn sich jemand bereit erklärt über z.B. die Lebenshilfe, die AWo oder Caritas usw. behinderte Menschen in der Freizeit zu begleiten, dass sollte der-oder diejenige nicht aufeinmal jammern, weil der betreute Mensch so anders ist .....
Der redet ja jeden an!
Der spricht immer so laut!
Der hat nie Vorschläge, was wir tun können!
Der will im Auto immer die gleiche CD anhören!
Der isst immer Leberkässtangerln!
usw.....
Nun verfällt also Monat für Monat das Geld, das die Pflegekasse für den behinderten Robert mit Autismus zur Verfügung stellt. Nein ..... nochmal starten wir das nun wirklich nicht mehr.
Zwei Mal hatte Robert ganz tolle Betreuer. Studenten, die dann irgendwann mit dem Studium fertig waren und leider diese Aufgabe nicht mehr weiter machten.
Ansonsten war es leider, leider immer für den Buben traurig ....

Die Freundin .... hm .....
neee, ich sag da nix dazu.
Sie sind ein Pärchchen die zwei.
Laufen Hand in Hand ....
Aber wir haben nicht das Gefühl, dass die beiden ein junges Glück sind so wie andere mit 16.
Die beiden sind anders ... einfach anders.
Sie schicken sich Herzchen, aber als ich Robert fragte, ob er sie denn nun liebt sagte er: "Woher soll ich denn das nun wieder wissen!"

Nun hab ich mit dem Zeugnis angefangen, und mit meiner Erzählung über unseren Robert geendet.
Ich könnte noch seitenweise weiterschreiben ....



9 Kommentare:

  1. Uhi... das sind ja jede Menge Neuigkeiten.

    Ich wünsche dir einen guten Start in diese Woche!

    LG
    Oona

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  2. Echt, hätte er nicht größer als 145 cm werden "sollen"?
    Na wie gut, dass Robert in keine Schublade wirklich rein passt!
    Das alles hast du so nett geschrieben, liebe Elisabeth.

    Liebe Grüße!

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  3. Liebe Elisabeth,
    wie gut, dass sich Vorhersagen nicht immer erfüllen. Man kann keinen Menschen in eine Schublade stecken.

    Liebe Grüße Sabine

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  4. Robert ist ok, wie er ist. Er ist gewachsen. Er ist klug. Er ist halt anders.
    Lieben Gruß und eine schöne Woche Euch
    Katala

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  5. Hallo Elisabeth,
    da hast Du Deinem Sohn aber ein schönes "Zeugnis" geschrieben.So ist er, manches mag man als Mama und manche Züge eben nicht. So ist das aber denke ich bei allen Kindern und das macht sie so einzigartig!
    das mit der Profi-Betreuung ist blöd! Ich glaube viele die das Betreuungsangebot ausführen möchten, können sich nicht immer von vorneherein vorstellen wie anstrengend das sein kann, wenn man einen Menschen betreut, der so ganz anders reagiert als man das vielleicht möchte. Und für den der zu Betreuuen ist, ist das dann auch doof. Schade, ich hätte Robert Jemand Einfühlsameres an die Seite gewünscht.
    LG zu Euch
    Manu

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  6. Das mit dem FED finde ich sehr schade. Hier haben wir einen großen Unterschied. Jolina sieht man ihr "anders sein" an und unterschätzt sie eher, bei Robert vergisst man das wahrscheinlich, auch wenn man es weiß weil man es eben nicht sieht.
    Es ist nicht leicht, mit der Schere zurecht zu kommen, die gerade in dem Alter nochmal gewaltig auseinander geht, aber gut, dass er nicht "leidet"

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  7. Liebe Elisabeth…
    Ein paar Gedenken hierzu.
    "Woher soll ich denn das nun wieder wissen!" – Kennst du das Buch "Schau mich an!"? Verfasst von einem erwachsenen Autisten… Er beschreibt an einer Stelle genau dieses "Dilemma", das glaube ich recht vielen von uns bekannt ist.
    Ich finde deine Eingangssätze klingen sehr danach – er wird erwachsen, der Robert. Ich wünsche ihm, dass das Üben und der Ehrgeiz dazu führen, dass die Ergebnisse auch nicht ausbleiben.
    Bei mir gibt es auch schon wieder die ganze Woche das gleiche zu Essen. Wie eigentlich… immer, wenn mein Mann nicht kocht. Ich verstehe gar nicht, wie man jeden Tag was anderes essen wollen kann ;-)

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  8. Das sind wenige Freunde, aber es klingt als wären es richtig gute und wichtige Freunde. Das zählt viel mehr. Das freut mich richtig zu hören, dass er eine Freundin hat :).

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  9. Ach, Elisabeth. Ich hab so lange keine Lust auf Blogs gehabt, auf überhaupt nichts mehr, hab trotzdem versucht, zu funktionieren und es ging in die Hose.
    Das mit dem "nicht leiden" kann ich nicht unterschreiben. Für mich nicht und auch nicht für die ehemaligen Kollegen bei Auticon. Oder zumindest einige nicht. Aber das ist mein Bild von dem, was sie erzählen. Sie würden möglicherweise auf die Frage anders antworten.

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