Mittwoch, 24. Februar 2016

Ein Wort zum Zeugnis


Wieder einmal Zeugnis-Tag.
Am Freitag kam Robert nach Hause und hat ziemlich unaufgeregt das Zeugnis auf den Tisch gelegt.

Es gibt viel zu lesen in Zeugnissen der Schule zur geistigen Förderung.
Das taten wir Eltern auch.
Robert blieb uninteressiert.

Was sagt man da als Eltern?
Wenn nun schon zum 15. Mal ähnliches im Zeugnis steht.
Was sieht man als Schulerfolg, was kann man herauslesen?

Lesen lernt er noch immer. Von Kindern in der 1.Klasse kommen schon viel mehr Erfolge.
Wir bewundern es sehr, dass er überhaupt noch mitmacht, immerwieder stotternd Buchstaben für Buchstabe neu entdeckt, dann aber gaaanz schwer ein Wort daraus "lesen" kann. Und wenn dann dieses Wort kurze Zeit später nocheinmal im Text auftaucht wird wieder buchstabiert. Alles auf Anfang!

Rechnen?  Seit vielen Jahren der Zahlenraum bis 20 entdeckt, so manches kann er da!
Stimmt das so?
Nein, ein klares NEIN !
Wenn er immer und immerwieder beim Spiel mit dem Würfel die Punkte neu zählt, weil er einfach nicht erkennen kann, dass er da eine z.B. 5 gewürfelt hat .... dann wird es nach so vielen Jahren auch für die Mama schwer noch irgendeine Freude beim Brettspielen zu entdecken.
Wenn er beim Backen hilft und ich mit ihm z.B. Mehl abwiege, dann versteht er gar nichts von den Angaben. Da kann ich ihm erklären, ihn auffordern doch noch bis zum Strich aufzufüllen "schau da steht 250 gr" und dann .... weiss er nicht was und wo er die "250" finden soll.
Es gäbe noch viele Beispiele mehr.

"Du Robert, wie alt ist denn Deine neue Lehrerin?"
"So genau weiss ich das nicht, ich glaube 55 Jahre. Oder vielleicht doch eher 30!"
Er BEGREIFT die Zahlen nicht.
"Robert jünger so wie Deine grosse Schwester, oder eher wie die Mama?"
"Da denk ich mal mittendrin!"
Das ist noch die Antwort die ein bisserl zeigt, dass er schon erkennt was der Unterschied ist, aber halt nicht in Zahlen, in Jahren ....

Er ist ein liebes Kind, er macht viel und fleissig mit, er bemüht sich, er fasst viel auf und merkt sich das dann für immer!
Und so weiter ...
Nur? Was tut er damit wenn er gross ist?
Autofahren wird er nie ....
Allein auch nur durch eine Stadt schlendern auch nicht ....
Wohnen, muss betreut sein ....

Robert hat das Zeugnis nicht mehr interessiert und mich, die Mama dann auch nicht mehr.
"Mama, der Herr Lehrer hat mit mir drüber gesprochen was da drin steht. Aber ich glaub ich hab ihm nicht zugehört, ich weiss zumindest nichts mehr!"

Susannes erstes Zeugnis der Fachakademie liest sich wunderbar, macht stolz. Ein Mädchen, das seinen Weg geht. Ich bin glücklich darüber.

Diese Gräben ... ich kann sie grad nicht aushalten.

Wie geht das nur weiter für mein jüngstes Kind? Am liebsten würde ich keine solchen "Zeugnisse" mehr in die Hand nehmen. Denn ich seh ja das Bemühen all der Lehrer und Betreuer. Aber wenn sich doch so gut wie nix tut. Robert braucht diese Zeugnisse nicht mehr. Die tun ihm wahrscheinlich nicht gut, weil er tief innen spürt wie unfähig er ist. Es ist nun das 3.Zeugnis, welches er selber ignoriert.
Wir haben ein Zeugnisessen gemacht. So wie schon immer mit den Kindern.

"Gut, dass ich auch so ein Zeugnis habe, gut, dass ich mitgehen und mitessen darf!" sprach das Kind.
"Mama, das ist echt gut, weil das ist dann wie eine Eintrittskarte für uns, oder?"




20 Kommentare:

  1. Liebe Elisabeth,
    ich kann dich voll und ganz verstehen. Irgndwann verlässt einen der Mut.aebr es muss ja weitergehen.
    Und solange er freiwillig mitmacht, ist das schon ein kleiner Erfolg.
    Elisabeth, ich wünsche dir viel Kraft - die wirst du brauchen.
    Einen sonnigen Resttag wünscht dir
    Irmi

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  2. Liebe Elisabeth,
    ich kann sehr gut verstehen, dass man in solchen Situation schon mal verzweifeln möchte. Ich schicke Dir eine Mail.
    Lieben Gruß
    Katala

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  3. Ja, ich verstehe dich gut. Bei uns sind es bisher nur 3 Zeugnisse (zum Halbjahr gibt es hier keins) und trotz der vorhandenen Fortschritte wünschte ich mir doch mehr (und einen Blick in die hoffentlich großartige Zukunft).

    Ich denke, auch Robert wird seinen Weg finden - und ich glaube, gerade bezüglich Selbstständigkeit unterschätzt du ihn gerade.

    Herzlichen Glückwunsch an Susanne zum tollen Zeugnis. Habt ihr jetzt Ferien?

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  4. Zeugnisse sind relativ. Denn sie bewerten nur bestimmte Bereiche, abprüfbare Fähigkeiten im Verhältnis zum Rest der Gruppe. Aber sie sagen nichts darüber aus, wie dieser Mensch wirklich ist. Wir sollten ihnen nicht zu viel Gewicht geben. Natürlich macht es stolz, wenn ein Kind super Noten vorlegen kann. Aber du hast nicht bessere odere schlechtere Erziehungsarbeit geleistet. Ihr seid eine tolle Familie, habt so viel schon gemeinsam durch und überstanden. Gebt dem Zeugnis nicht zu viel Gewicht. Deine Kinder werden alle ihren Weg finden, weil sie das wichtigste von Dir und Deinem Mann mitbekommen - ein gehöriges Maß an Liebe und Wertschätzung, Geborgenheit und Fürsorge, Vertrauen und Zuversicht. Gott segne euch!

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  5. Liebe Elisabeth, ich hab lang nichts mehr geschrieben. Wie bei Euch auch haben diverse Krankheiten den Alltag bestimmt.
    Ich versteh Dich gut, ich fühle mit Dir. Es wird nicht leichter, denn nun kommt Euch ins Bewusstsein, was die geistige Behinderung ausmacht. Bei meiner Kleinen war es nie so schlimm wie in der Pupertät. Nun, sie arbeitet seit einem halben Jahr in einer Werkstatt ist es wieder leichter. Sie kann es nicht so ausdrücken, aber sie geht gerne. Wir haben das Gefühl es passt für sie. Robert spricht nun auch noch, ist lebenstüchtiger als Sarah. Er sagt ja schon lange Zeit, dass er auch ein Handy möchte, ein Auto fahren. Das wird schwerer. Bleibt zuversichtlich, auch da finden sich die Wege! Fangt langsam an Euch umzuhören. Möglichkeiten zu finden und auch Einrichtungen für erwachsene Autisten zu erkunden.
    Ich drücke Dich von Herzen
    Es wird wieder leichter.
    alles Liebe
    Marianne

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  6. Ach Zeugnisse........
    Grosse Dichter und Denker, Künstler, Top Musiker. ....Viele waren in ihrer Schulzeit nur ein unscheinbares, kleines Licht.
    Manche ganz ohne regulären Schulabschluss.

    Trotzdem, ich versteh sehr gut, wie du dich fühlst.
    Bestimmt wird AUCH Robert seinen Weg gehen...Seinen ganz eigenen. Und selbst, wenn es ein betreuter Weg sein wird...Es wird ein/sein Weg.
    Mit einem/seinem ganz eigenen Spass am Leben.
    Nicht traurig sein. Das macht ja nichts besser! Im Gegenteil.

    Herzlichst
    Gaby

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  7. Ach Zeugnisse........
    Grosse Dichter und Denker, Künstler, Top Musiker. ....Viele waren in ihrer Schulzeit nur ein unscheinbares, kleines Licht.
    Manche ganz ohne regulären Schulabschluss.

    Trotzdem, ich versteh sehr gut, wie du dich fühlst.
    Bestimmt wird AUCH Robert seinen Weg gehen...Seinen ganz eigenen. Und selbst, wenn es ein betreuter Weg sein wird...Es wird ein/sein Weg.
    Mit einem/seinem ganz eigenen Spass am Leben.
    Nicht traurig sein. Das macht ja nichts besser! Im Gegenteil.

    Herzlichst
    Gaby

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  8. Zeugnisse,
    die braucht Robert echt nicht.
    Ist schon traurig, die Situation.
    Aber Susanne ist ein Lichtblick, wie gut!
    Das Zeugnis-Essen finde ich super!
    Liebe Grüße Bärbel

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  9. Ich denke, es ist die Sorge, was aus dem Robert werden kann, wenn er erwachsen ist. Wo kann er hin, was für Möglichkeiten hat er mit seinen Fahigkeiten? Findet er einen guten Platz?
    Das lese ich so aus dem Blogpost heraus.
    Liebe Grüße!

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  10. Sonst stille Leserin, heute ein Wort.
    Ich bin zu weit weg um Euch helfen zu können. Ich arbeite mit heranwachsenden Autisten, oft solche Jungs wie Dein Sohn. Das ist sehr schwer, und wie Du schon schreibst, es geht nicht ohne Begleitung. Aber bei uns gibt es tatsächlich die Möglichkeiten der Arbeit auf einem Bauernhof. Ja, sie sind dann weg von zu Hause, doch das wäre mein Vorschlag. Schaut Euch das an! Sie können ohne Eltern leben, und auch die Eltern haben das Loslassen gelernt. Das heisst ja nicht, dass es nicht die Wochenenden und gemeinsamen Urlaube gibt. Du tust ihm nur Gutes wenn Du loslassen übst, durch Eure KZP-Zeiten tut Ihr das ja schon. Wir haben immerwieder Jungs schon mit 16 Jahren bei uns. Sie sind fast noch schneller hier eingelebt als die Jungs die lang zu Hause waren. Versteh mich nicht falsch, das ist nichts gegen die Eltern, gegen das Nest aus dem sie kommen.
    Habt Ihr so wenig Ansprechpartner in Eurem Raum? Ich hab ein bisschen nachgeguckt, es ist dünner gesäät als hier bei uns. Und doch wird sich etwas finden.
    Das mit den Zeugnissen würde ich genau so ansprechen. Weisst Du, dass Du nicht die Erste bist, die sie nicht mehr ansehen mag. Denn wenn man ständig im Autstausch mit der Schule ist braucht es das gar nicht. Findet man auch immerwieder, aber nicht bei Euch in Bayern. Robert ahnt natürlich wie anders er ist. Bei den vielen Geschwistern erfährt er das Tag für Tag.
    Sucht Wege für seine Fähigkeiten, die hat er! Das lese ich ja immerwieder raus bei Dir.
    sei herzlich gegrüsst
    Anne

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  11. Das ist echt schwer wenn man das Gefühl hat, nichts tut sich, obwohl sich alle so bemühen, inklusive dem Kind. Ich bin nicht bei euch, ich kann dir nicht sagen: Aber schau doch, das und das kann er nun besser oder das hat er gelernt seit dem letzten Jahr. Aber ich bin ganz sicher, es gibt sie, diese kleinen Dinge die er nun macht, die er früher nicht konnte oder wollte. Und wenn es auch nur klitzekleine Dinge sind, auch Robert steht nicht still. Er entwickelt sich. Übrigens kann es gut sein, dass er in der Pupertät plötzlich einen Schritt macht. Das haben die Ärzte und Therapeuten meinen Eltern gesagt als mein Bruder in die Pupertät kam. Und wir finden tatsächlich, dass sich einiges getan hat in diesen Jahren. Da tut sich doch einiges im Hirn.
    Gut, das er ein Zeugniss hat der Robert. Nicht dass er nicht mehr mit zum Zeugnisessen darf :). Und vielleicht hat er am längsten von allen ein Zeugnis und darf zuletzt mit euch alleine speisen gehen.
    Kopf hoch liebe Elisabeth. Weiterhin viel viel Kraft

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  12. Nicht schön, wenn man glaubt auf der Stelle zu treten, kenne ich ja auch, aber noch nicht ganz so lange wie du.
    Ich verstehe deine Traurigkeit, wenigstens ein paar Dinge die man fürs "normale" Leben braucht um ein Rezept zu lesen, einkaufen zu gehen, ja, das ist schon zum tief Luft holen
    Martina

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  13. Da wird mir das Herz schon schwer, weil Robert spürt, was er spürt und es bewegt mich, wenn Du darüber schreibst, was neben dem Guten eben auch gar nicht geht.
    Als Eltern muss die Sorge um die Zukunft für das eigene Kind unerfassbar groß und erdrückend sein.
    ***

    Schön, dass Susanne so einen guten Start in die Berufwelt hat. Es ist ein Glück - wie ich finde - wenn man als junger Mensch eine Vorstellung von dem eigenen Leben hat.

    Ich denke an euch!
    Herzlichst
    Oona

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  14. Liebe Elisabeth,
    ich kann das nicht nachempfinden, was Du da schreibst, aber Du hilfst mir ganz ungemein unser Patenkind etwas besser zu verstehen. Seit kurzem ist er mit Asperger diagnostiziert... und Deine Geschichten helfen mir wirklich in seine Welt etwas abzutauchen und zu verstehen, was für mich kaum zu verstehen war. Früher. Jetzt gehört es dazu.
    Ich bin froh, dass Susanne so gut voran kommt und ich hoffe, dass Ihr bald feststellen könnt, dass Zeugnisse einfach nicht alles sind. Obwohl die Gesellschaft uns das gerne einreden möchte.
    Alles Liebe und fühl Dich feste gedrückt!
    Claudi

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  15. Liebe Elsbeth
    Es gibt Kinder die passen in kein Raster. Ich will es nicht ideologisierten, aber so ein Zeignis ist doch nur wider eine Möglichkeit die Kinder in unser System zu drücken. Dein Sohn ist bestimmt ein wunderbarer Junge. Er ist auch da um unsere Raster immer wider in Frage zu stellen! Ich weis schon als Mama ist es nicht leicht, solche Kinder zu begleiten. Zu mir hat mal jemand gesagt: " Es ist das Kind, dass sich die richtigen Eltern aussuchen, Eltern die es tragen können, auf sie Aufpassen und sie beschützen " Mir tat das gut.
    Viel Energie wünsche ich Dir!

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  16. Elisabeth, ich möcht dich jetzt einfach nur ganz fest drücken! Ja, so schön die Zeugnisse anfangs sind, so schwer lesen sie sich dann mit der Zeit. Ich spür das jetzt schon. Und Niklas ist erst in der dritten Klasse.
    Auch Robert wird älter, entwickelt sich auf seine Weise und in seinem Tempo. Ihr macht das so wunderbar mit ihm!! Seid eine unglaublich starke Familie!
    Die Frage ist doch: welche Entwicklung kann man sich erwarten? Was kann man erhoffen? und was wird realistisch gesehen nie möglich sein? ... trotz guter Förderung.

    Was ist eigentlich nach der Schulzeit? Gibt es bei euch in der Nähe Einrichtungen die passen würden für Robert?
    ach, ein so schweres Thema. Ich grüble auch gerade....
    herzliche Grüsse
    Tanja

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  17. Liebe Elisabeth,
    Es ist mir *vollkommen* klar, dass das gerade nicht dein größtes Problem ist -
    Dennoch, da es anscheinend präsent genug ist um als Beispiel aufzutauchen: Sofern der Robert die Zahlen 1-6 auf Sicht erkennt, lässt sich das Problem mit den Würfelaugen doch ganz einfach lösen. Jeder einigermaßen gut sortierte Spielwarenladen sollte für ein paar Cent Würfel führen, die statt mit Augen mit Zahlen bedruckt sind. Vielleicht geht das Spielen damit etwas flüssiger von der Hand.

    Ricky

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  18. Es gibt Würfel, die die Punkte unterschiedlich färbig drucken - gelb ist eins, blau zwei usw....
    Außerdem merkt jeder, der hier seit ein paar Jahren mitliest, dass der Junge sehr wohl Fortschritte macht. Normalität und Mormativität solltest du jetzt endlich mal vergessen, Elisabetn, du drehst dich grad wieder im Kreis. Lies mal in anderen Blogs, was Kinder alles AUCH NICHT können. Robert geht es gut!

    Vielleicht sollte man aber als Mutter einfach auch nicht frisch ent-grippt und noch geschwächt Zeugnisse lesen müssen - das ging wohl vielen anderenin diesem WInter auch so :-)))) Machen wir ne Eingabe, dass zu Grippezeiten keine Zeugnisse mehr verteilt werden, haha!
    Schönen Tag, Helga.

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  19. Wie lange geht Robert denn eigentlich noch zur Schule?

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  20. Liebe Elisabeth,
    Der Robert geht seinen Weg! Der wird anders sein als dein und mein Weg und als der Weg von seinen Geschwistern. Doch er ist ja auch der Robert und nicht dich oder mich oder seine Gewischter. Ja er wird vielleicht nicht sein eigenes Geld erwirtschaften, nicht alleine Wohnen -doch wer weiss, vielleicht wird er mal der welcher glücklich sein wird? Der vielleicht mit einer Gruppe andern Menschen seine Bestimmung leben darf, tun darf ohne den Lohndruck was er gerne tut? Differenzierte Zielsetzung vielleicht absolut fern von allem was mit Schule zu tun hat wäre sinnvoller...auch wenn es dort vielleicht für uns die gewohnt sind dass alles mit Meilenstiefel errungen wird in Minischritten voran geht. Robert spielt in seiner eigenen Liga und dort ist er Meister drin!
    Herzliche Grüsse an die ganze Familie,
    Maya

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