Montag, 28. Oktober 2013

Mam, Du musst doch eine Hexe sein ... alles wegen Zwillingen


Wie Ihr das verstehen könnt? Ich werde es Euch erzählen, es war wirklich seltsam.

Es war einmal ein schöner, warmer Oktobertag. Der Chef der grossen Familie wollte unbedingt nocheinmal in die Schwammerln gehen. Der Grosse des Chefs war nicht so begeistert, ging dann aber (erfolgreich) mit. Und natürlich Robert. Aber weil er "so gelangweilt ist im Wald" hat er einen kleinen Nachbarsjungen mitgenommen.
Die Familie zog los ....
Der kleine neue Freund erwies sich als sehr anstrengend, ziemlich vernachlässigt und sehr anhänglich an die Familienmama. Nach fünf Minuten fragte er schon, ob er nicht mit bei uns einziehen könnte. Robert war da gleich dafür, denn ein kleiner Bub der barfuss in total kaputten Schuhen, seit Tagen nur mit zerissenem t-shirt (gegen Abend ist das auch hier im Spätherbst zu kühl) und ständig schmutzig, hungrig usw. im Garten bei uns steht ... also so ein Kind erweckt nicht nur bei den Erwachsenen sondern auch bei Robert ein: "was-ist-da-los ... wie-kann-man-dem-Kind-helfen .... ????" - Gefühl.
Wir alle nun also im Wald.
Nennen wir das Kind Hugo, der Name gefällt ihm nämlich, so würde er gern heissen ... hat er uns erzählt, so heisst er aber nicht!
Der Hugo läuft neben der Familienmama her, bald schon Hand in Hand und erzählt ... erzählt ... erzählt. Nichts "Echtes", nichts was uns nichts angeht.
Seltsame Geschichten, Phantasie ohne Ende ...
Robert hielt da natürlich mit, verstand gar nichts hat aber daraus sein eigenes Ding gemacht ... wie unser Mittelgrosser sagte.
Ein einsamer Chef läuft irgendwo allein durch den Wald.
Eine von einem autistischen Kind, einem "nicht-mehr-in-der-Pupertät ... oder-doch?" jungen Mann und einem ca.7jährigen Hugo begleitete Chefin läuft auch durch den Wald.
Alles was da gesprochen wurde kann ich nicht aufschreiben, das wird ein Kurzroman. Es war schnell klar, dass Hugo weder wusste wie alt er genau ist, wann sein Geburtstag ist, woher die Familie herzog, wieviele Geschwister er hat etc.
Nein, ICH habe das Kind nicht ausgefragt, der Junge erzählt wirklich ständig und Robert und der Mittelgrosse waren interessiert. Robert fragte plötzlich: "Du Hugo, bist Du eigentlich auch behindert?"
Das brachte die Chefin zum schmunzeln und den grossen Bruder zum laut lachen. Was er natürlich dann gleich peinlich berührt wieder aufgehört hat.
"Irgendwas stimmt doch aber nicht mit Hugo, oder Mum?" ... fragte er mich leise.
"Ich weiss nicht, weil auch Vernachlässigung solche Folgen haben kann.!
Dann war es plötzlich da!

Das Thema Zwillinge!
Hugo sagte, dass er viele Brüder hat aber zwei wohnen jetzt mit in Bayern und die "sehen irgendwie gleich aus, aber ich glaub die waren nicht beide in der Mama ihren Bauch, weil wie sollen die denn aufeinmal zu zweit rauskommen?"
Die Chefin hat nun aber von Susanne gewusst, dass Zwillinge hierhergezogen sind, die nun mit ihr in die Schule gehen. "Du Hugo, das gibt es schon. Manchmal kommen 2 Babys gleichzeitig aus dem Bauch. Das heisst dann Zwillinge!"
"Nöööö ... ich glaub das war nüscht so, aber ich glaub die haben nur einmal Geburtstag!"
"Dann ist das so. Du hast Zwillingsbrüder. Die sind gleich alt, haben am gleichen Tag Geburtstag. Sie sind immer gleich. Ich glaub ich kenne Deine Brüder, die sehen ja auch gleich aus!"
"Ich frag das mal die Oma wenn die wiederkommt!"
"Hugo, stell Dir vor, ich habe auch Zwillingsbrüder. Die sind auch ganz gleich gewesen. Ich zeige Dir mal Fotos, da kann man sie nicht unterscheiden. Beide sind gemeinsam auf die Welt gekommen, haben immer zusammen Geburtstag."
Der grosse Bruder hielt Robert ab von unserer traurigen Familiengeschichte zu erzählen, Das wäre nichts gewesen für Hugo von dem Unfall von einem der Zwillinge zu erfahren.
Und dann passiert das:
Hugo sagt: "Ich erzähl das der Mama, dass die Brüder Zwillinge sind, vielleicht gehör ich auch dazu?!"
"Du bist doch jünger, Du bist der Hugo, der kleine Bruder. Und das ist doch auch gut und schön!"
Und bei dieser Anwort finde ich:


Ein Schwammerl-Zwillingspärchen....
gleich drauf noch eins

Und dann nach 10 Minuten dieses Riesenexemplar!
Wir sassen im Wald im Moos und haben gestaunt. Der Mittelgrosse ist sich nun sicher, dass die
Stiefmama eine Hexe  ist. Mit einem Grinsen hat er mir das gesagt. Schaut mal sein Grinsen oben auf dem Foto an .... au weiha!
Der Robert glaubt das nun auch. Weil ... wir haben noch nie Zwillingsschwammerl gefunden. Und dann rede ich mit Hugo über Zwillinge und dann sowas!
Da kommt der einsame Chef auf uns zu und sieht die ausgelegten Zwillingspilze, wird überfallen von drei Jungs die gleichzeitig erzählen, dass die Mama die gefunden hat und so weiter ...
 Der Chef sagt:
"Das sag ich doch schon immer, Du bist meine Hexe!"

Durchmesser der beiden zusammengewachsenen, glitzernden Hüte: 17 cm!

Und Hugo ... der sitzt mitten unter uns und saugt alles auf was wir so sagen.
"Warum sagt Ihr eigentlich immer Schwammerl?" frägt er.
Robert: "Ich glaub des sagen die weil die Mama aus der Oberpfalz und der Papa ein Österreicher ist. Da ist das gleich! Mama, Papa ... seid Ihr auch Zwillinge? Und ... normale Menschen sage PILZE!"

Bin ich nun Hexe, normal, unnormal oder was oder wer?
Ich werde heute nochmal in den Wald gehen und darüber nachdenken ....


Und nun? Das ist kein Märchen so war das am Samstag bei uns.

Nachtrag: Wir haben den Jungen mit Erlaubnis der Oma mitgenommen. Ich bin da hin, hab geklingelt wurde unfreundlich angeraunzt: "Nehmen Sie ihn mit, aber in zwei Stunden soll er wieder da sein!"
Als ich ihn nach 2 Stunden heimbrachte ... klingelte .. machte keiner auf. Der Bub lief im Dunklen noch immer in kaputten Schuhen, t-shirt ... nicht mehr hungrig weil wir ihm mitessen liesen ...draussen rum.
Der Chef hier war so sauer ... und hat ständig geschaut wann die Familie heimkam. Der Mittelgrosse hat dann um kurz vor 21 Uhr gemeldet: Sie sind da, sie haben ihn mit reingenommen.
Wir haben eine schwere Entscheidung getroffen. Der Bub war gestern in aller Früh schon wieder vor der Tür. Es geht nicht .... ich habe ihn heimgeschickt. Denn .. wir werden ihn nicht helfen können. zu viel Miteinander ist für ihn und Robert nicht gut. Robert plant eh schon den Hugo hier mit aufzunehmen.
Das heisst nicht, dass wir ihn nie zum Spielen kommen lassen. Wir werden hinschauen auf das Kind. Aber wir werden sein Leben nicht ändern können, wenn er im Winter noch immer so rumlaufen muss, dann wissen wir wen wir einschalten.

Machmal wäre ich wirklich gern eine Hexe ... die zaubern kann und allen Kindern liebevolle Menschen schenken würde. Für jeden Tag!

Ach so .... ENDE

... und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute .... (wir sind noch da, die Schwammerl-Pilze haben uns nichts angetan, die waren einfach nur sauguat!" 

12 Kommentare:

  1. Wahnsinn! Zwillings-Schwam.... äh...Pilze. Mehrfach. Toll.
    Gut, dass ihr wißt, welche Pilze man essen kann. Dann macht das Pilze sammeln viel Spaß. Für mich ist es dieses Jahr zu spät, weil ich in den nächsten ECHTEN Wald erst in zwei Wochen kommen könnte und dann ist die Pilz-Zeit wohl vorbei. Ich liebe das Suchen und FInden.
    **
    Hm... da tut mir das Herz schon einwenig weh, wenn ich vom Hugo lese. Man muss nicht weit über die Grenzen nach irgendwo schauen.
    Verwahrloste, ungeliebte und hungernde Kindern gibt es überall in Deutschland. Genau neben uns. Das macht mich betroffen.
    Ganz liebe Grüße
    Oona

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  2. Schön, dass Ihr den Bub auf Euren Waldspaziergang mitgenommen habt. Es stimmt mich traurig, dass einige Eltern so gleichgültig sind. Ich verstehe das einfach nicht - Kinder sind doch das Beste und Wundervollste, was uns geschenkt wird ...
    Und Du wirst also auch als Hexe betitelt? Passiert mir auch ständig. ("Wenn du da vorhin nicht von gesprochen hättest, dann wäre das jetzt auch nicht passiert." Ja klar, haha.)

    Ich wünsche Dir einen wunderschönen Tag,
    Sonja

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  3. Noch so'n Ding, was ist bloss los mit den Menschen.....ich lauf ja auch nicht mit geschlossenen Augen rum, aber derartiges ist mir noch nicht real begegnet, ich kenne das nur als Teil einiger Lebensläufe und da hat sich dann nie jemand interessiert und es hat ein übles Ende genommen, wie traurig.....was für eine Zukunft mag da auf Hugo warten? Gut, dass Du es im Auge behalten wirst.....

    Herzliche Grüße
    Silberweide

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  4. Ach, Elisabeth, du bist so eine Liebe!
    Wie gut, dass wir dich hier haben.

    Liebe Grüße!

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  5. Die Zwillingsschwammerlgeschichte ist zau-ber-haft, im wahren Sinne des Wortes! Ja, solche Dinge "begeben sich" manchmal.
    Und solche Kinder, die am liebsten jeden Tag kommen und gar nicht mehr weggehen würden, die gibt es leider wirklich überall. Einen so krassen Fall wie den Hugo habe ich persönlich noch nicht erlebt, aber Kinder, die um halb eins klingelten, mit unseren Kindern spielen wollten und dann zum Mittagessen dablieben (weil bei ihnen niemand zu Hause war und es kein gemeinsames Mittagessen gab), die gab es auch in unserer "heilen" Kleinstadtwelt. Oder die den ganzen Sonntag bei uns verbrachten, weil die Eltern am "Wochenende" ausschlafen und sich erholen mussten... Da hab ich erst begriffen, wie "altmodisch" und schon fast exotisch unser Familienleben mit Pfarrers-Papa und Hausfrauen-Mama (o.k., mit kleinem Nebenverdienst), mit drei gemeinsamen Mahlzeiten und gerne auch mal mitspielenden Eltern, eigentlich war. Kein Wunder, tobte die ganze Kindernachbarschaft immer bei uns durch Haus und Garten ;-) (ich hab's genossen - meistens... ganz ehrlich!!)

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  6. Das mit dem Hugo ist schlimm...
    Aber man kann ihn deswegen leider nicht adoptieren/aufnehmen...
    Gut das ihr schon wisst was ihr macht wenn , und das ihr euch dann so kümmern werdet. Viele scheuen sich ja einfach an die richtigen Stellen zu gehen. LG Bibi

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  7. Elisabeth, ich habe das geträumt, was du schreibst. Ich war in Kaufbeuren - im Traum - , L. zu besuchen. Er lief draußen im schon fast Dunkeln herum; ich spielte mit ihm. Er schien irgendwie vergessen von seiner leiblichen Mutter. Irgendwann öffnete sie dann doch die Tür, es schien ihr eingefallen, dass da noch einer war. L. weinte, weil er nicht wieder dort hinein wollte. Ich tröstete ihn und sagte ihm: Ich komme ja wieder. -
    Ich glaube, letzten Freitag habe ich das geträumt.

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  8. Elisabeth, Du kennst sicher die Gegebenheiten bei bayrischen Jugendämtern besser als ich. Ich würde das wohl im Auge behalten. Wenn er wirklich bei der Oma wohnt und dort nur wie abgeschoben wirkt ... Es wird ja mit der Zeit nicht besser.

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  9. Herzerwärmend eure Geschichte, auch wenn manches schwer nachklingt...
    die Liebe, die ihr gebt kann Mut machen und wenn es als noch so wenig erscheinen mag. Es kann große positive Auswirkungen haben, davon bin ich überzeugt! Was die Umständen betrifft, kann ich mir in solchen Fällen nie vorstellen, dass Menschen, denen Kinder anvertraut sind, es nicht a priori gut machen wollen. Vielleicht (sogar eher sicher) sind sie selbst traumatisiert worden und können nicht aus ihrer Haut heraus. Es ist immer schrecklich, das mitansehen zu müssen, ohne wirklich effizient helfen zu können. Ich werdet sicher einen guten Weg finden, davon bin ich zutiefst überzeugt!
    Eine schöne Woche euch allen, eure Schwammerln sind eine Wucht (gewesen) :-)
    Elisabeth

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  10. Liebe elisabeth,
    eine traurig-schöne Geschichte.
    Nein, du kannst den kleinen Hugo nicht retten.
    Das müssen seine Eltern tun
    Die Schwamemerl-Geschichte gefällt mir.
    Einen schönen Abend wünscht Dir
    Irmi

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  11. Oje, wie furchtbar. Das Jugendamt sollte wirklich informiert werden!!
    Und euer Tag war trotz der schrecklichen Wahrheit des Hugo ja doch sehr zauberhaft. Wie schön.
    Liebe Grüsse

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